Das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hat am 30.06.2015 (Akz. 4 LC 285/13) über einen naturschutzrechtlichen Befreiungsantrag für einen Grünlandumbruch auf einem Moorstandort aus dem Jahr 2012
entschieden. Das Verfahren richtete sich allein nach naturschutzrechtlichen Bestimmungen, da der betroffene Landwirt keine Agrarsubventionen beantragt hatte. (Denn sonst wäre für einen
Direktzahlungsempfänger ein Antrag nach der damaligen Dauergrünlanderhaltungsverordnung bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen erforderlich gewesen).
Der betroffene Landwirt hatte von der unteren Naturschutzbehörde des Landkreises für seinen begonnen Grünlandumbruch auf einem Moorstandort eine Untersagungsverfügung erhalten. (Über die von ihm dagegen eingeleiteten Rechtsmittel wird das OVG Lüneburg auch noch entscheiden [Akz. 4 LC 286/13]).
Der Landkreis hatte dem Landwirt mitgeteilt, dass ggf. ein Antrag auf Befreiung vom vermeintlich gesetzlichen Verbot des Grünlandumbruchs auf einem Moorstandort gestellt werden könne. Seinen Antrag begründet der Landwirt damit, dass lediglich ein Umbruch mit anschließender Wiedereinsaat von Grünland beabsichtigt sei. Das in erster Instanz befasste Verwaltungsgericht in Stade sah in § 5 Abs.2 Nr.5 BNatschG erstmals ein unmittelbar geltendes Umbruchverbot, nach dem weder Grünlanderneuerungen noch Umnutzungen von Grünland in Acker auf einem Moorstandort durch wendende Bodenbearbeitung erlaubt seien. Die Voraussetzungen für eine Ausnahmegenehmigung lägen nicht vor.
Das OVG Lüneburg hat nun entschieden, dass § 5 Abs.2 Nr.5 BNatSchG kein gesondertes naturschutzrechtliches Verbot darstellt. Dieser sei vielmehr als „Programmsatz oder als Katalog von leitlinienartigen Vorgaben“ zu verstehen. Da kein gesetzliches Verbot bestehe, war vom Landwirt auch kein naturschutzrechtlicher Antrag auf Befreiung/Genehmigung des Umbruchs zu stellen.
Ergänzend wies das OVG auch noch darauf hin, dass als Intensivgrünland genutzte Moorflächen auch nicht unter den Biotopschutz des § 30 Abs.2 Satz1 Nr.2 BNatschG fallen. Der Biotopschutz erstrecke sich nach dem Willen des Gesetzgebers nur auf solche Moorflächen, die sich in einem natürlichen oder naturnahen Zustand befinden.
Das OVG hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
Rechtsanwältin Hinrika Martens sieht in dem Urteil des OVG einen wichtigen Impuls für die Rechtsicherheit der Landwirte im Bereich der Grünlanderneuerung auf Moorstandorten, auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist.
Besonders einschneidend, gar standortvernichtend, wäre nämlich die Bestätigung der Rechtsauffassung des VG Stade für Bio-Betriebe gewesen, die im Bedarfsfall auf eine wendende Grünlanderneuerung ohne Herbizid Einsatz angewiesen sind.
Veränderungen von Natur und Landschaft sind grundsätzlich nur dann als naturschutzrechtlicher Eingriff nach § 14 BNatschG zu sehen, wenn nicht die „gute fachliche Praxis in der Landwirtschaft“ eingehalten wird.
Diese gute fachliche Praxis beschreibt sich einerseits aus dem Rahmen der verschiedenen unmittelbaren gesetzlichen Verbote und Vorgaben (TierschutzG, BBodenSchG, DüV, WasserhaushaltsG etc.) und andererseits aus einem landwirtschaftlich sinnvollen und nachhaltigen Handeln auf dem aktuellen Stand von Technik und Forschung.
Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen hat nach § 2 LwKG die Pflichtaufgabe, praxisorientierte Leitlinien über die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Landwirtschaft zu erstellen und die gute fachliche Praxis zu beschreiben. Rechtsanwältin Martens rät allen Interessierten und Praktikern dazu, die Leitlinien als Leitfaden zu nutzen, um eine standortangepasste Bewirtschaftung auch unter Berücksichtigung des Naturschutzes durchzuführen.
Rechtsanwältin
Hinrika Martens